Vor ein paar Tagen gabs auf dem Blog „Wirtschaftliche Freiheit“ einen Artikel über die Vorteile der Mehrheitswahlrecht und der hat mich zum Nachdenken gebracht. Irgendwie bin ich bisher immer davon ausgegangen, dass diese politischen Ränder, die Extremisten nur ein verschwindend kleiner Anteil der Wähler sind, maximal 5% oder so.
Aber schauen wir uns mal die Tatsachen an. Tatsach ist, dass in Österreich ca. 1/3 FPÖ/BZÖ wählen. Die landläufige Erklärung dafür ist, dass viele diese Parteien nur wählen, um den beiden „Großparteien“ eins auszuwischen oder dass sie irgendwie aus versehen diese Parteien wählen und es eh nicht so meinen. Ähnliches gilt natürlich auch z.B. für Deutschland mit der Links-Partei oder Frankreich mit dem Front National. Aber ist das wirklich so?
In den USA gibt es ein Mehrheitswahlrecht. Das bedeutet auch, dass die Wahlen in der Mitte gewonnen werden müssen. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Menschen gibt, die sich außerhalb dessen befinden, was man als normales Meinungsspektrum bezeichnen kann. Es gibt eine Gruppe von Menschen, die behaupten, dass Obama nicht in den USA geboren wurde. Sie werden birther genannt und es ist vollkommen egal wie oft man die Geburtsurkunde vorzeigt, die Zeitungsannonce usw. sie werden ihre Meinung niemals ändern. Eine andere Gruppe wird als truther bezeichnet und die behaupten, dass die US-Regierung 9/11 entweder inszeniert hat oder es zumindest bewusst nicht verhindern hat.
Laut einer Umfrage sind 28% der Republikaner der Ansicht, dass Obama nicht in den USA geboren wurde (8% der Unabhängigen, 4% der Demokraten). Und 36% der Amerikaner sind der Meinung, dass 9/11 ein „inside job“ war. Aus nahe liegenden Gründen werden darunter vermutlich nicht sehr viele Republikaner sein, d.h. es wird eher selten vorkommen dass jemand sowohl truther als auch birther ist, mit anderen Worten in beiden Parteien gibt es ein Spinner-Potential von fast 1/3. Das bedeutet aber, dass zumindest in dem Fall Meinungen, die wir normalerweise als Randerscheinung bezeichnen würden, eigentlich nicht wirklich Randerscheinungen sind.
In Europa wird es so sein, dass in zunehmendem Maße die Reflexe gegen Extremismus nachlassen und es immer mehr akzeptabel sein wird, extremistische Parteien zu wählen. Obwohl das Reservoir, aus dem die Extremisten schöpfen können eine Minderheit ist, ist die Minderheit trotzdem so groß, dass es in einem Verhältniswahlrecht immer so sein wird, dass die Extremisten unnatürliche Koalitionen erzwingen (z.B. GroKo).
Die österreichische Idee, dass man die Wähler nur irgendwie wachrütteln muss, dass man nur den Martin Graf zum Rücktritt zwingen muss, dass man nur die Vergangenheit noch ein bisschen besser aufarbeiten muss und dass dann irgendwie in nicht allzu langer Zeit sich das FPÖ/BZÖ-Thema erledigt haben wird ist einfach nicht mehr haltbar. Solange es ein Verhältniswahlrecht gibt, wird es in Österreich extremistische Parteien geben, die ca. 1/3 der Stimmen bekommen.